taz.lab Gedoens Kongress „Close up: Sexarbeit“
Auf dem taz.lab habe ich eine kleine Performance zum Thema Sexarbeit abgehalten. Hier mein Erfahrungsbericht der etwas anderen Art!
Im Dunkeln
Der Thron ist wirklich wunderbar gemütlich. In wenigen Worten tweete ich die Zusammenfassung der Frage meiner letzten Besucherin. Der Laptop, obwohl ich den Screen vorsorglich gedimmt habe, erscheint mir grell im Vergleich zu meinem lauschigen kleinen Instant-Bordell. „Hier entlang, folgen Sie einfach der Lichtschlange am Boden und schon können Sie eintreten“. Mein Termin-„Sklave“ Olivier schliesst die schwere Theatertür, die in den dunklen Backstagebereich führt. Ich höre meinen neuen Gast die wenigen Treppenstufen hinabsteigen, dann verschluckt der schwere Orientteppich die Schritte. Ich schliesse den Laptop und stehe auf, um meinen Gast am Eingang meines kleinen zauberhaften Reiches in Empfang zu nehmen. 10 Minuten Intimität, 10 Minuten, die ich ganz meinem Besuch und den mitgebrachten Fragen widme.
Ich bin auf dem taz.lab „Was wirklich zählt. Der Gedöns Kongress der taz. In meiner Performance „Close Up: Sexarbeit!“ empfange ich in einem intimen 1:1 Setting Besucher, sie dürfen mich in 10 Minuten alles Fragen, was sie schon immer mal eine Sexarbeiterin fragen wollten. Mir begegnen in meinem Privatleben und auch in meinem politischem Engagement als politischer Sprecherin des BesD e.V oft Menschen, denen ich anmerke, dass sie mich gerne so viel mehr fragen möchten, allein, die Höflichkeit hält sie davon ab. Sexualität, Sexarbeit, und alles, was damit zusammenhängt, ist immer noch stark tabuisiert. Selbst in aufgeklärten Kreisen merke ich, wie sich Menschen einer Selbstzensur unterwerfen. Oft ist das auch gut so. Sitze ich in einer politischen Runde ist wohl nicht der geeignete Platz, um Fragen nach meiner Privatbeziehung zu beantworten, oder ständig nur auf mein Erleben als professionelle Sexdienstleisterin reduziert zu werden.
Vorspiel
Heide Oestreich schrieb mir dann aus dem Blauen heraus eine Email: „[…]Ich habe eine Frage: Auf den linken Buchtagen mit Pieke Biermann sprach ich mit einer Prostituierten darüber, dass man mal ein Interview unter dem Titel: Alles, was Sie schon immer über Prostitution wissen wollten machen könnte. Ich glaube, das waren Sie, bin mir aber nicht mehr ganz sicher. Können Sie sich an so etwas erinnern? Wir hätten nämlich jetzt eine Gelegenheit, so etwas ähnliches zu machen. Eine Art Beichtstuhl auf unserem tazkongress, in den die Leute schlüpfen können und Fragen stellen. […]“
Oh, wie wunderbar! Natürlich kann ich mir das vorstellen und flugs war das Konzept geboren. Ein intimer Raum, Abseits, ruhig, kuschelig, angefüllt mit Dingen, die die Arbeit als Sexarbeiterin mit sich bringt: Toys, Hygieneartikeln, Putzmittel, Dessous, Buchhaltung, Kondome, Deko, Social Media, Musik, Parfum, kitschiges Licht, Papierkram, kurz: alles dinge, die man in fast allen Bereichen der Sexarbeit auch findet. Dazu natürlich ein gewisses plüschiges Klischee, um es etwas zurückhaltenderen Menschen einfacher macht, sich zu Recht zu finden und die Fragen zu stellen, die sie sich sonst so nicht trauen würden.
Vorbereitungen und Klischees
Das finden des richtigen Raumes stellte sich dann im Haus der Kulturen der Welt etwas schwierig raus. Ellen Kraft bot mir das Backstage des Theaters an, etwas abgeschieden, nur zu erreichen durch mehrere schwere Türen, verschachtelte Gänge und ein Stück weit auch direkt an der grossen Bühne vorbei. Irgendwie schien keiner so richtig glücklich damit zu sein, ich jedoch fand das ganz prächtig, schliesslich ist der Weg für viele Gäste zu uns Sexarbeiter_innen auch oft ein Verschwiegener, Heimlicher, auf dem man entlang schleicht.
Bei der technischen Besprechung hatte ich auch das kurze Glück Meike Jansen kennen zu lernen. Meike ist mittlerweile tragisch und plötzlich verstorben. Mein Beileid an Familie, Freunde und ihre Kolleg_innen.
Nun, richtig gemütlich sieht das kleine Backstage Kabuff nun wirklich nicht aus. Aber auch im Sexbusiness wird ja oft improvisiert und aus den gegebenen Umständen das beste herausgeholt. Einige Visionen , einem kleinen Vitrinen-Vorfall und etlicher Wunschlisten später, war ich dann ganz gespannt, was mich im Backstage erwartet. Einige Wochen zuvor hat Ina. Praktikantin bei der taz Kontakt zu mir aufgenommen. Sie wurde mir als „Einrichtungs-Wunscherfüllungs-Fee“ zugeteilt. Zu Rechte, denn Ina hat mir aus dem Babelsberger Fundus die zauberhaftesten Möbel besorgt. Danke Ina! Gemeinsam haben wir dann freitags das Kabuff in ein KaPuff verwandelt:
Eine wundervolle, zugegeben leicht kitschige, aber nichtsdestoweniger intime Atmosphäre, um meine Gäste zu empfangen. Abgelegen vom ganzen anderen Gedöns, nur auf verborgenen Wegen unter Führung erreichbar, nach vorheriger Terminvereinbarung konnte man mich nun finden. Wie schön! Sexarbeit findet häufig auch im Verborgenen statt, verborgen vor der Gesellschaft, dem eigenen Umfeld, den Nachbarn, der eigenen Familie. Auf dem Weg zu mir, konnte man das nachfühlen, geführt, durch enge, abseitige Wege schleichen, Türen öffnen, die einem sonst verborgen geblieben wären, bis man dann sein Ziel erreicht.
Aus dem Naehkaestchen geplaudert
Was wurde ich denn nun gefragt? Darüber habe ich mir im Vorfeld auch Gedanken gemacht. Was für Gespräche werden wir führen? Werden wir uns streiten? Gut verstehen? Werde ich nach sexuellen Dienstleistungen gefragt? Nach persönlichen Erfahrungen? Oder nach ganz anderen Dingen?
Insgesamt habe ich 18 Gespräche geführt. Davon 8 mit Männern, 10 mit Frauen, 2 Slots davon waren für die taz reserviert, einmal das Gespräch mit Anna Hutsol von Femen, dann die Bloggerin Laila Oudray vom taz.blog. Ich wurde wenig politisches gefragt, dafür aber viel persönliches. In etwa so hätte ich das auch vermutet, denn schliesslich kann man das Politische ja auch in öffentlichen Foren abfragen, bei Podiumsdiskussionen, Vorträgen und so weiter. Nur einmal waren die 10 Minuten zu lang, alle anderen Gespräche waren viel zu kurz.
Überrascht und begeistert hat mich, dass viele Besucher_innen mich nach Rat zu ihren persönlichen sexuellen Erlebnissen und Situationen gefragt haben. Einige davon hatten direkt mit BDSM zu tun, meinem Spezialgebiet, manches davon aber auch mit allgemeinen Beziehungsfragen. Grossartig fand ich, dass sogar 2 Besucherinnen wohl vorher bei Laura Méritts Vortrag zur weiblichen Prostata waren und nun noch mal genau nachfragen wollten, sozusagen von Frau zu Frau. Gut, dass ich mich da ebenfalls auskenne.
Nachts zuvor hatte ich mir noch Sorgen gemacht, was denn wäre, wenn niemand käme. Vielleicht bin ich ja zu versteckt? Vielleicht möchte niemand über so was reden? Vielleicht ist der Gedöns Kongress der falsche Rahmen? Nun, diese Sorgen, man könnte auch ganz banal Lampenfieber sagen, hätte ich mir sparen können. Die vorhandenen Slots waren in Windeseile ausgebucht. Erstaunlicherweise wurden bis auf einen, auch alle vereinbarten Termine pünktlich eingehalten. Das kenne ich aus dem Studioalltag aber anders! Ich verstehe das als Zeichen für ein wirklich grosses Interesse, auch intime Fragen mal unverbindlich und vor allem mit niedrigschwelligem Zugang stellen zu dürfen. Schliesslich war der Gedöns Kongress voll mit tollem Programm!
Gerne würde ich dieses Experiment wiederholen. Gerne auch mit anderen Kolleginnen aus anderen Bereichen der Sexarbeit zusammen. Sozusagen eine Mischung aus Kunst, Performance, Interaktion und Public Service.
Nun gilt es aber erst mal, Danke zu sagen. Danke an alle meine wunderbaren Gäste, die meinen Tag mit wundervollen, interessanten und oft auch tiefsinnigen Gesprächen interessant gestaltet haben.
Danke aber auch (und vor allem!!) an die taz und ihr wunderbaren Mitarbeiter_innen, an Ina, Heide, Gina, Meike, Flo, und die 3 Jungs, deren Namen ich vergessen habe, an das Technik-Team des HKW und Ellen, an Olivier, meinem „Teesklaven“, Frizzi, für flinke Hände! Schön war´s!
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