Durchhalten
Das Wetter ist grossartig,die Sonne scheint und es lässt sich tagsüber gut aushalten beim Laufen, oder auf dem Balkon. Sehr weit entferne ich mich jedoch lieber nicht von meinem Festentzanschluss oder dem Rechner – meine (finanzielle) Lebenslinie. Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen bin ich auf meiner 0900 Nummer eingeloggt (09005-833109352 2,99€/min aus dem dt. Festnetz / Mobilfunkpreise variieren), nach dem ersten Tee dann auch auf Skype.
Meine nachmittage verbringe ich meist an der Nähmaschine – Masken für eine ehrenamtliche Initiative nähen. Die schicken mir Stoff und weiteres Material – und ich nähe geradeaus und kann entspannt nicht nachdenken. Ähnlich wie Puzzlen, allerdings hab ich hinterher ein nützliches Produkt in der Hand. Das entspannt mich ungemein. Heute habe ich allerdings einen kleinen Ausflug ins Lux gemacht, nach dem Rechten sehen, alle Klospülungen mal betätigen, damits nicht stinkt, Pflanzen giessen, Bilder für einen Auftrag machen.
Also aufgestrapst, die langen Lederstiefel über die zarten Nylons, viel Netz, ein Korsett. Seufz. Normalerweise bereite ich mich so auf eine Session vor, lege Dinge bereit, gehe die Konversation nochmal durch, freue mich auf ein intensives Erlebniss und wundere mich, ob ich die Person „kriege“, also an den Punkt heranführe, wo sie loslassen kann, vertrauensvolle Hingabe erfährt.
Heute gibts jedoch nur Erinnerungen – und ein paar Bilder, die mehr meiner Fantasie entspringen.
Es ist ganz still. Normalerweise sind immer ein paar Kolleg*innen da, geben sich die Türen in die Hand, das Telefon klingelt. Nahezu gespenstisch ruhig ist es. Staub liegt herum. Ich frage mich, wer wohl das Glück hatte, in unseren heiligen Hallen den letzten Orgasmus vor der Zwangspause erleben zu dürfen. Und wundere mich, wer die erste Person sein wird.
Es wird Zeit, ich mache den letzten Schnappschuss, ziehe mich um und gehe nach Hause.
Erst mal wieder in meine Lines einloggen, Bilder bearbeiten und abliefern – normalerweise schätze ich ja das Blitzen in den Augen meiner Spielpartner, das Funkeln der Furcht, die zuckende Erregung, beobachte begeistert die Atmung und die kleinsten Veränderungen – jetzt klicke ich ein paarmal rum, gesendet. Und starre auf meinen flimmernden Bildschirm.
Natürlich freue ich mich über eine gelungene Telefon- oder Webcamsession, und manchmal gelingt mir auch ein Gefühl des Verbundenseins. Mir fehlen aber so einige Ebenen, an denen ich leicht den Ist-Zustand meines Gegenübers ablesen kann. Oft reicht schon ein Blick, oder eine Geste. Und ich hab die Situation im Griff, kann sie gestalten. Nun muss ich Detektivin spielen, lauschen, raten, und mich auf meine Erfahrung verlassen.
„…Es war eine wahnsinnig intensive, wirkungsvolle, erfüllende und nahe gehende Online-Session, unglaublich nah an einer realen Begegnung. Sie verstehen es wundervoll Macht und Führung, aber auch unendlich viel Einfühlung zu vermitteln, sehr geehrte Lady. Meine Devotion haben Sie punktgenau getroffen, ich habe Ihre Führung, Ihre Anweisungen und auch Ihre Lust daran aufgesaugt wie ein ausgedörrter Schwamm. Sie haben meine devote Seele bestens genährt, meine sehr verehrte Herrin. Und mich schon sehr in Ihren Bann gezogen…“
Scheint ja immerhin ab und zu zu klappen 😉
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